Wissen professionell übergeben
9. Oktober 2018 // gepostet in Personalentwicklung
Der eine geht, der andere kommt. Und das Wissen ist weg? Gutes Wissensmanagement will genau das verhindern. Ermahnungen und gute Worte nützen da allerdings nicht viel. Auch die Übergabe von jahrelang angesammelten impliziten und expliziten Wissen will professionell unterstützt sein.
Ein Gastbeitrag von Frau Dr. Anne Dreyer
Wer Wissensmanagement googelt, stößt schnell auf Software für Wikis oder ähnliches. Das ist sicher ein guter, wichtiger Baustein bei der Konservierung von Wissen. Aber zum einen sind solche Anwendungen nur schwer am Leben zu erhalten und mit dem zu füllen, was wirklich relevant ist. Zum anderen lässt es den Faktor Mensch noch zu weit außen vor. Denn Wissen weiterzugeben ist gar nicht so leicht, wie es sich anhört. Ich kann es nicht einfach in den PC tippen.
Wissen schwer zu greifen
Das liegt zum einen daran, dass der Wissensgeber oft gar nicht weiß, welches Wissen er eigentlich weitergeben soll. Oder er ist sich gar nicht bewusst, dass bestimmte Informationen wertvoll sind. Zum anderen ist auch schlicht nicht jeder bereit, sorgsam gehütetes Spezial-Know-how „wegzugeben“. Oder er kann das IT-Programm nicht bedienen. Die Gründe sind vielfältig. Deshalb ist das Gespräch von Mensch zu Mensch so wichtig.
Vertrauensbasis schaffen
Nur im Gespräch können sich Wissensgeber und Wissensnehmer kennenlernen. So können Bedenken abgebaut und Barrieren beseitigt werden. Die Kultur einer solchen Übergabe ist dabei entscheidend. Beide Gesprächspartner sollten gleichermaßen wertgeschätzt, offen und fair behandelt werden und die Chance haben, die Übergabe nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Auch sollte es im Unternehmen keine Vorteile bringen, Wissen zu horten und für sich zu behalten. Vielmehr sollten die Mitarbeiter spürbare Benefits erleben, wenn sie freigiebig und offen mit Informationen umgehen. Dann besteht eine gute Chance, dass der Wissensgeber den Neuen nicht als idealistischen Besserwisser ansieht und der Wissensnehmer die Übergabe nicht als lässige Pflichtveranstaltung wahrnimmt. Beziehungsweise dass beide ihre Meinung nach den ersten Sitzungen ändern.
Denn solche Übergabegespräche brauchen Zeit. Mit einem Meeting ist es nicht getan. Vielmehr sollten beide über einige Wochen immer wieder zusammensitzen, je nach Umfang der Information, die ausgetauscht werden soll. So kann der übergebene Teil verdaut und reflektiert werden, es können Fragen gestellt und all das ergänzt werden, was vielleicht zuerst vergessen wurde. Die Gesprächspartner lernen sich über den Zeitraum immer besser kennen und die Übergabe wird immer stärker zum Dialog.
Wichtig ist besonders, diese Gespräche für die Weitergabe impliziten und Erfahrungswissens zu verwenden. Alles, was ich locker aufschreiben kann, was sowieso schon im QM-Handbuch steht oder was andere auch wissen, gehört nicht in diese Übergabegespräche! Wie ich eine Zugangskarte beantrage, wie ein IT-Tool funktioniert, wer der Ersthelfer ist, oder welche Weiterbildung Pflicht ist, sollte im Einarbeitungsplan oder im Abteilungshandbuch oder im Intranet stehen. Dafür sollte keine kostbare Gesprächszeit verwendet werden!
Gespräche aktiv unterstützen
Um solche Gespräche professionell zu unterstützen, ist es schon hilfreich, wenn PE die Terminvereinbarung übernimmt. Auch ein regelmäßiges Nachfragen, zum Beispiel interessiert nach dem letzten Termin fragen, bringt die nötige Verbindlichkeit und Ernsthaftigkeit in die Übergabe.
Im Gespräch selbst ist ein Leitfaden hilfreich. Dieser sollte alle Themenbereiche, die besprochen werden sollen, umfassen, zum Beispiel interne Prozesse, verwendete Programme oder externe Kunden. Zu jedem Teil können dann Beispielfragen Gesprächsimpulse setzen. Das sorgt dafür, dass das Gespräch in Gang kommt und dass nichts Wichtiges vergessen wird. Einen solchen Leitfaden zu erstellen ist sicher kein Hexenwerk. Wichtige Grundfragen können immer helfen, egal um welche Abteilung oder welches Thema es im Gespräch geht. Wichtig ist in jedem Fall, nicht nach absoluter Vollständigkeit zu streben, sondern vor allem Fragen anzubieten, die Impulse setzen und das zu übergebende Themenfeld öffnen. Gern können Sie den Guru-Leitfaden zum Thema Wissensübergabe nutzen.
Der Wissensnehmer sollte zudem alles, was er erfährt, festhalten. So kann er später immer wieder nachschlagen und hat selbst eine gute Basis, falls er einmal Kollegen einarbeiten muss oder selbst die Position verlässt und die Nachfolge regeln muss.
Um die Ecke denken
Überlegen Sie auch, an welchen Stellen solche Gespräche zur Wissensweitergabe vielleicht noch sinnvoll wären! Sicher profitiert Ihr Unternehmen nicht von der Sicherung des Wissens vor dem Ausstieg in die Rente oder zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Auch Gespräche zwischen verschiedenen Abteilungen oder sogar mit Vertretern anderer Unternehmen können so unterstützt werden. Übrigens gilt das auch für den HR-Bereich! Gerade Personaler sollten gut in der Szene vernetzt sein und aktiv eigene Erfahrungen weitergeben und von den Erkenntnissen anderer profitieren. Lassen Sie uns mit bestem Beispiel vorangehen!
Über die Autorin
Dr. Anne Dreyer war Leiterin des Deutschen Bildungspreises und promovierte an der Universität Bremen zum Thema Qualität im betrieblichen Bildungsmanagement. Sie schreibt den Blog www.bildungsmanagement.guru und berät Personalentwickler zu Fachthemen aus dem HR-Bereich sowie zum professionellen persönlichen Auftritt.
Sagen Sie Ihre Meinung